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Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit; Vergütungspflicht, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 –

1. Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG begrenzt den Umfang der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden. Dazu zählt auch die Zeit eines Bereitschaftsdienstes nach § 15 Abs. 6 Buchst. a BAT.

2. Auch wenn Bereitschaftsdienst nach dem ArbZG vom 6. Juni 1994 keine Arbeitszeit ist, muß ein öffentlicher Arbeitgeber bei der Anordnung von Bereitschaftsdienst wegen des ausnahmsweise geltenden Anwendungsvorrangs des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG die in dieser Vorschrift geregelte zeitliche Höchstgrenze beachten.

3. Die Richtlinie 93/104/EG betrifft den öffentlichrechtlichen Arbeitsschutz. Zur Frage der Vergütung enthält sie keine Bestimmung. Die Mißachtung einer nach Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG gebotenen zeitlichen Beschränkung des Bereitschaftsdienstes hat keine gesonderte Vergütungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Folge. Auch in einem solchen Fall bestimmt sich die Vergütung ausschließlich nach § 15 Abs. 6 Buchst. a Unterabs. 2 BAT.

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts

1. Nach der Rechtsprechung des EuGH zählt Bereitschaftsdienst, wie ihn Disponenten in der Kreisleitstelle eines Rettungsdienstes in Form persönlicher Anwesenheit in den Räumen des Arbeitgebers leisten, zur Arbeitszeit iSd. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 93/104/ EG vom 23. November 1993. Ein Verständnis des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit ist aber mit § 5 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG unvereinbar. Das ArbZG vom 6. Juni 1994 hat die Richtlinie 93/104/EG insoweit nicht ordnungsgemäß umgesetzt.

2. Europäisches Gemeinschaftsrecht beansprucht grundsätzlich Vorrang vor entgegen-stehendem nationalen Recht. Richtlinien haben jedoch keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedsstaaten. Etwas anderes gilt für einen staatlichen Arbeitgeber. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Mitgliedsstaat, der eine Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß innerhalb der vorgesehenen Frist umgesetzt hat, seinen Bürgern gegenüber nicht auf diese Säumnis berufen. Im Interesse der praktischen Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts kommt der Richtlinie in diesem Fall unmittelbare Wirkung zugunsten der Bürger zu, wenn die betreffende Vorschrift eine inhaltlich hinreichende bestimmte und unbedingte Regelung enthält.

3. Als Staat und öffentlicher Arbeitgeber sind nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur Gebietskörperschaften anzusehen, sondern auch alle Organisationen und Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten.

4. Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG untersagt zeitliche Belastungen, die über in dieser Vorschrift geregelten Höchstzeiträume hinausgehen. Die Vorschrift hindert nicht die Anordnung von Bereitschaftsdienst. Das gilt auch für Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 93/104/EG.

5. § 15 Abs. 6 Buchst. a BAT verwehrt es dem Arbeitgeber nicht, Bereitschaftsdienst in eine Nachtschicht zu integrieren. Eine solche Dienstplangestaltung muß die tarifrechtlichen Bestimmungen der Anordnungsbefugnis nach § 15 Abs. 6 Buchst. a BAT beachten.

6. Ein Verstoß gegen die Höchstarbeitszeit des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG führt nicht zu einer über § 15 Abs. 6 Buchst. a Unterabs. 2 BAT hinausgehenden Vergütungspflicht für geleistete Bereitschaftsdienste.

7. Ein Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Höchstarbeitszeit ist keine unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 2 BGB. Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG ist kein Schutzgesetz iSd. Vorschrift.

Art. 10, Art. 249 Abs. 3 ArbZG.
§ 3, § 5 Abs. 1, § 4 Satz 1, 3, § 7 Abs. 2 Nr. 1 EG.
Art. 2 Nr. 1, Art. 3, Art. 6 Nr. 2, Art. 16 Nr. 2, Art. 17 Abs. 3, Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993.
§ 15 Abs. 2 Buchst. c, § 15 Abs. 6 Buchst. a Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961.
§ 14 Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 –

Seiten 149 - 156

Zitierfähig mit Smartlink: https://www.oeffentlichesdienstrechtdigital.de/PERSV.04.2004.149

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